Wie Verbundenheit das Arbeitsklima beeinflußt.

18. Januar 2023

Ich beschäftige mich in letzter Zeit viel mit dem Leben auf diesem Planeten. Besonders die Erkenntnisse über die Verflechtung allen Lebens miteinander hat es mir angetan. Die Entwicklung allen Lebens über Jahrmillionen hat ein System geschaffen, dass alle Teilnehmer am Leben, Menschen, Tiere, Pflanzen, Pilze, Mikroorganismen, so voneinander abhängig macht, dass kleinste Veränderungen in dem System sich auf andere Komponenten auswirken. Immer öfter zwangsläufig auf das ganze System des Lebens. Wir sehen z.B., wie stark sich der Rückgang der Insekten auf die Population von Vögeln auswirkt. Insbesondere die Abnahme der Bienenvölker, welchen wir dank ihrer Bestäubungstätigkeit 70% unserer Nahrungsmittel verdanken, zeigt, wie gravierend ein Eingriff in das System Natur sein kann. Bäume benutzen das in der Erde verborgene System von Pilzgeflechten zur Kommunikation von Umfeldbedingungen, ohne die sie leiden oder sogar absterben können. Vom Thema Mikroplastik ganz zu schweigen.

Alles hängt mit allem zusammen.

Wir sehen aktuell an den weltweit wirkenden Folgen des Coronavirus und Ukraine-Krieges, wie stark unsere Märkte, Produktivität, Energiehaushalt, Geldwert, Preise und damit unsere wirtschaftlichen Lebensgrundlagen zusammenhängen. Und wie ist das mit uns Menschen? Wie stark sind wir voneinander abhängig? Wie gestaltet sich unser Leben in Bezug auf unsere Mitmenschen? Wie sehr sind wir uns der unterschiedlichen Beziehungen im Alltag bewusst? Wie erleben wir diese Verbundenheit, welche Rolle spielen sie überhaupt?

Haben Sie sich schon einmal vergegenwärtig, wie viele Lebewesen dafür gesorgt haben, dass Sie dies hier lesen können? Oder dafür gesorgt haben, dass Sie ein Hemd, eine Bluse oder T-Shirt tragen? Lesen Sie diesen Beitrag gerade am Smartphone, dann fallen mir dazu folgende Beziehungen ein:

 Das systemische Geheimnis eines Smartphones

Zur Herstellung vieler Teile aus Kunststoff waren Pflanzen aus früheren Erdperioden nötig, die abstarben, um dann als Erdöl die Grundlage für die Herstellung zu dienen. Dieses Öl wurde von Menschen an Maschinen und Anlagen gefördert, transportiert, weiterverarbeitet. Die fertigen Teile haben Menschen mithilfe von Geräten kontrolliert, verpackt, versandt, befördert und zu dem Smartphone hinzugefügt. Auch diese Anlagen, Geräte und Transportfahrzeuge wurden von Menschen erdacht und konstruiert. Das gleiche gilt für das Display aus Glas und die Akkus. Designer haben sich Gedanken gemacht, was Ihnen bei der Nutzung gefallen könnte.  Die Computer, an denen sie und die Softwareentwickler für Sie die praktikabelsten Apps entwickelt haben, sind ebenfalls das Produkt menschlicher Kreativität und Arbeitskraft. Und all diese Menschen in dieser fast unendlich sich fortsetzenden Kette sind irgendwie zu Ihrem Arbeitsplatz gelangt. Mithilfe von durch Menschenhand erschaffenen bzw. gelenkten Fahrzeugen. All diese beteiligten Personen haben Familien, denen Sie durch den Kauf Ihres Endgerätes eines mehr oder weniger großen oder kleinen Teilchens ihres Lebens ermöglichen. Sie kaufen sich dadurch das, was sie zum Leben benötigen und was ebenfalls von Menschen, Tieren und Pflanzen produziert wurde. Auch wenn nicht alle beteiligten Glieder dieser Kette die gleiche Bedeutung haben, so sind wir doch mit allen verbunden, wenn wir ein Smartphone benutzen oder uns ein Kleidungsstück anziehen. Ohne uns dessen bewusst zu sein. Und wenn ein Teil in diesem System fehlt oder sich verändert, dann verändert sich, ob für uns merklich oder nicht, auch das ganze System. Wenn bedeutsame Teile ausfallen, wie z.B. Transporte oder Bestandteile des Herstellungsprozesses, hat dies sogar deutliche Auswirkungen auf uns. Dinge sind nicht lieferbar, Preise steigen, Lebensstandards verändern sich….

Unser Bedürfnis nach Verbundenheit

Ich finde, diese Impulse dienen auch dazu, zu reflektieren, welche Verbundenheit in unserem täglichen Arbeitsumfeld darüber bestimmen,

  • wie effektiv wir arbeiten,
  • wie zufrieden wir unsere Aufgaben allein oder mit anderen zusammen bewältigen,
  • ob wir uns gegenüber anderen isolieren
  • schlicht, ob wir uns wohlfühlen!

Gerade letzteres führt, wenn es fehlt, zu Stress, Erschöpfung und Krankheit. Das ist keine „Gefühlsduselei“, sondern belegbare Tatsache. Werden unsere wesentlichen psychischen Grundbedürfnisse nach einerseits Sicherheit und Geborgenheit bei anderen Menschen und andererseits Autonomie und Selbstwirksamkeit nicht erfüllt, erkrankt zunächst unser Geist, unsere Seele (Depressionen, Burnout), danach unser Herz/Kreislauf- und Immunsystem.

Verbundenheit, bzw. genauer: das Gefühl von Verbundenheit ist also für uns als „soziale Tiere“ essenziell. Im Unterschied zu den meisten Tieren können wir diese wichtige Zutat für zufriedenes Leben bewusst reflektieren und herstellen. Was wir allerdings im Laufe unserer kulturellen Entwicklung und der damit einhergehenden Sozialisierung in der Gesellschaft erleben ist: Getrenntheit! Wir wachsen als Kinder so auf, dass wir uns Regeln und Werten unterwerfen, welche die Individualität betonen. Wir treten von klein auf in einen Wettbewerb mit anderen. Es zählt nicht mehr so sehr die gemeinsame, sondern die Einzelleistung. Am besten ist, wir haben etwas „ganz allein“ geschafft. Wir sollen uns vergleichen. Und zwar mit den besten oder besseren, erfolgreicheren Personen in unserem Umfeld. Zur Orientierung ist das sicher gut, nur beurteilen und bewerten wir es. Wir sollen uns anstrengen, genauso zu werden, wie die High Potentials. Wir sind damit Objekte, die auch so behandelt und bewertet werden. Und wir lernen: die anderen sind Messlatten, Konkurrenten, Gegner. Wie soll unter diesen Umständen Verbundenheit entstehen? Und zwar echte, gefühlte Verbundenheit. Ganz davon abgesehen, dass bei diesen gesellschaftlich relevanten Maßstäben zwangsläufig eigene Potenziale auf der Strecke bleiben, mit denen wir auf die Welt gekommen sind. Oder diese passen eben nur zufällig.

Trennung ist „ IN“!

Das alles stumpft ab. Empathie bleibt auf der Wettbewerbs- und Aufgaben-Strecke.  Wir reflektieren in der Regel nicht mehr, wie der Kollege zu meiner Arbeit und zum Ganzen beiträgt. Wir wissen es meistens selbst kaum noch…  Und wenn die Kollegin in einem anderen Bereich tätig ist, spüren wir gar keine Verbindung mehr. Ausnahme:  wenn etwas danebengeht und damit unser eigenes Ergebnis negativ beeinflusst. Dann suchen wir den Schuldigen. Die Kollegin hat dann „nicht richtig zugehört“, der Außendienst beschuldigt dann den Innendienst, das Marketing den Einkauf und umgekehrt, die Produktion die Logistik etc.

Das Ergebnis dieser Getrenntheit bzw. dem Fehlen von echter Verbundenheit sind oft Konflikte und Frust. Wir sind enttäuscht, oft aber verärgert oder sogar wütend, weil die anderen nicht so mitmachen, nicht so funktionieren, wie wir es erwartet haben. Kein Wunder, denn wir haben gelernt, als Objekte vorgegebener Maßstäbe und Erwartungen behandelt zu werden. Also sehen wir mit den gleichen Einstellungen auf die anderen. Und werden von denen ebenfalls so betrachtet.

Wie kommen wir wieder zu mehr Verbundenheit?

Wir sollten uns erst einmal darüber klar werden, dass wir uns die Welt aufgrund unserer erlernten Perspektive darauf selbst erschaffen haben.  Unsere Gedanken über andere Menschen erzeugen dementsprechend die Reaktion dieser Menschen. Wenn ich jemanden wenig wertschätze, wird dieser Jemand dies mit seinem Verhalten auch bestätigen. Meine Gedanken verursachen eine gewisse Trennung und führen in der Folge zu noch mehr Getrenntheit. Wie soll eine Kollegin oder Führungskraft denn auch anders reagieren als kühl, wenn ich mit meiner Einstellung zu ihr, unabhängig vom Grund, meine Distanz erhöhe.

Die Verbindung zu uns selbst

Und mal ehrlich: wem geht es dabei wirklich gut, wenn er abwertende oder gar feindselige Gedanken gegen jemand hegt? Der erste Schritt ist also, sich selbst in einen guten Zustand zu bringen. Denn in den meisten Fällen, in denen wir uns von anderen durch negative Gedanken trennen, fühlen wir uns selbst unwohl, vielleicht abgewertet, verletzt, frustriert. Ohne diesen inneren unguten Zustand zu erkennen und aufzuarbeiten, werden wir keine wirkliche aufrichtige, wertschätzende oder auch nur wirklich interessierte Verbindung zustande bringen. Wir benötigen also erst einmal die Verbindung zu uns selbst. Unsere Einstellungen, Glaubenssätze, Fremd- und Selbstbilder und die damit verbundene (!) Stimmung bestimmt damit über die Qualität der Verbindung zu den Kolleginnen.

Metta-Meditation

Eine gute Möglichkeit, uns wieder erst mit uns selbst und dann mit anderen in wohlwollender Weise zu verbinden, ist die Metta- oder Mitgefühl-Meditation. Sie besteht aus mindestens fünf affirmativen Sätzen:

Mögest du glücklich sein!
Mögest du gesund sein!
Mögest du die Wellen deines Lebens reiten!
Mögest du in Frieden sein!
Mögest du frei von Leid sein!
Mögest du die Quellen von Ärger, Verlangen und Täuschung erkennen!
  … was auch immer das Leben dir anbietet

Sie bereiten sich auf diese Meditation vor, indem Sie sich bequem hinsetzen, ein paar Minuten Ihrem Atemfluss nachspüren, ungefähr sechsmal länger aus- als einatmen und dabei Ihren Körper wahrnehmen, wie er sich dabei anfühlt. Dann sprechen Sie diese Sätze:

  1. zu sich selbst,
  2. zu einer für Sie (imaginierten) angenehmen Person. (dient nur zur leichteren Übung, kann später weggelassen werden),
  3. zu einer Person, zu der momentan eine gestörte Beziehung besteht, über die sich vielleicht sogar   
        ärgern.

Wenn Sie dies täglich üben, können Sie diese Mediation bei jeder bevorstehenden Situation und nach jedem herausfordernden Ereignis mit einer für Sie negativ abgespeicherten Person praktisch anwenden. Und Sie werden erkennen, wie sich Ihr Fremdbild ändert und damit auch Ihre Reaktion auf diese Personen. So verbessern sich nicht nur Verbindungen in Ihrem Netzwerk, sondern auch Ihr gesamtes Menschenbild. Das funktioniert nur dann, wenn Sie etwas verändern wollen und bereit sind, bei Ihnen anzufangen.

Sollte Ihnen diese Idee seltsam erscheinen ist das normal. Wir sind es nicht gewohnt, uns und anderen spürbar Gutes zu wünschen. Allerdings praktizieren die meisten von uns das Gegenteil dauernd: wir ärgern uns über uns selbst und übern andere und schleppen diese negativen Gedanken und Emotionen tagelang mit uns herum. Wir sprechen dann ebenfalls stumme Sätze der Ablehnung, Missgunst, Verärgerung und Ressentiments.

Dankbarkeit

Haben Sie sich heute schon bedankt? Oder jemandem ein Kompliment gemacht? Und haben Sie, vielleicht angeregt vom Beispiel oben, mal überlegt, wer alles heute dafür sorgt, dass Sie Ihre Arbeit effizient und zufrieden machen können?  

Wenn wir einem Menschen im Business wahrhaftig dankbar sind, dann wohl am wenigsten denjenigen, die im Unternehmen für die Funktionen zuständig sind, die unsere tagtägliche Arbeit nicht unmittelbar berühren, also mehr im Hintergrund tätig sind. Die z.B. dafür sorgen, dass Sie Ihren Lohn pünktlich erhalten, die Kantine betreuen, das digitale Kommunikationssystem aufrechterhalten etc.

Und was ist mit denjenigen, denen Sie direkt etwas verdanken, dass Sie erfolgreich zu einem Ergebnis kommen ließ: dem Kunden, dem Kollegen, der Chefin, dem Team?

Nicht zuletzt, und jetzt wird es verrückt: haben Sie sich bei dem Busfahrer oder Zugbegleiter für ihren täglichen Service bedankt? Oder bei der Bäckereiverkäuferin oder der Kassiererin im Supermarkt für ihre freundliche Bedienung oder einfach dafür, dass sie mit Ihrer Arbeit dafür sorgen, dass Sie sich mit den für Sie wichtigen Dingen versorgen können? Das ist schon eine Herausforderung, oder?

Mein Tipp: gewöhnen Sie sich an, sich generell ein paar Male am Tag zu bedanken für diese Selbstverständlichkeiten. Sie erhalten in der Regel eine Ihnen ebenfalls wohltuende Geste zurück. Und schon ist das Bedürfnis des Wahrgenommen-Werdens, einer Verbundenheit erfüllt. So sorgen Sie dafür, dass es Ihnen selbst besser geht! Ohne, dass es etwas kostet.

Wertschätzung im Quadrat

Ein weiterer nützlicher Weg, um die Verbindung mit Menschen zu stärken, mit denen die Beziehung gestört ist, kann der Perspektivenwechsel mithilfe des Entwicklungsquadrat sein. Darüber hatte ich in einem früheren Beitrag bereits geschrieben: https://www.ressourcentraining.org/blog/25-blog-beispiel-1.html.

Dazu hier nur so viel: Da wir unsere Realität selbst erschaffen und die damit verbundenen Zuschreibungen an und Bewertungen von anderen Menschen, können wir auch nur auf dieser Ebene etwas verändern. So können Konflikte aufgelöst, alte Beziehungen aufgefrischt und vielleicht sogar neue Verbindungen entstehen. Denn die Personen, die uns am meisten stören oder sogar auf die Palme bringen, haben Eigenschaften, von denen wir zu wenig besitzen. Weil wir gelernt haben, diese zu unterdrücken und damit dies gelingt, sie als schlecht für uns zu beurteilen. Jemand, der überheblich erscheint, hat möglicherweise vom dem zu viel, vom dem wir zu wenig besitzen: Selbstvertrauen! Anstatt von ihm zu lernen, ärgern wir uns, verurteilen den anderen und meiden möglichst den Kontakt.

Auch wenn manches hier vielleicht zu realitätsfremd klingen mag: vielleicht liegt es daran, dass Sie diese Verbindungen und deren Bedeutungen bisher nicht aufgrund unserer kulturkonformen Getrenntheit wahrgenommen haben. Und vielleicht konnte ich gerade deswegen auch ein paar neue Impulse setzen, um die Welt um uns herum, besonders im Business-Alltag verbindender zu gestalten.

 

Möchten Sie mehr Verbundenheit in Ihrem Umfeld schaffen? Dann können wir uns dazu hier austauschen.

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