Ein Tabu?!

17. November 2022

„Erst die Arbeit, dann das Bier“
war und ist immer noch eine geläufige Redewendung, wenn beschrieben werden soll, dass das eine -die Arbeit- mit dem anderen -dem Spaß- nichts zu tun hat.

Es halten sich in der modernen Arbeitswelt hartnäckig folgende Postulate:

  • Die meisten Menschen arbeiten in erster Linie, um Geld für ihren Lebensunterhalt zu verdienen. Darüber hinaus will man gesellschaftlichen Normen von Lebensstandards gerecht werden. Arbeit hat in diesem Sinne einen „um zu“- und keinen Selbst-Wert.
  • Es gibt die verbreitete Auffassung, dass Werte aus der Zeit der industriellen Revolution wie Leistung, Disziplin, Belastbarkeit essenzielle Voraussetzungen für Erfolg sind. Das gilt für Unternehmen gleichermaßen wie für die Arbeitnehmer und deren Karrierechancen. Ein demgemäß erfolgreicher Mitarbeiter ist ein Mensch, der respektiert und als vollwertig angesehen wird. Er ist richtig in dieser Gesellschaft.
  • Es herrscht seitens des Managements sehr häufig noch eine Kultur des Misstrauens: Mitarbeitende kommen zur Arbeit um ihre eigenen Interessen willen, anstatt die Interessen des Unternehmens zu verfolgen. Aus diesem Grunde müssen sie kontrolliert werden.
  • Spaß, Freude und Zufriedenheit sind Gefühle, welche den sachlichen Prozessen nicht zugeordnet werden und diese eher stören oder von ihnen zumindest ablenken.

Sicherlich gibt es noch mehr Paradigmen dieser Art, welche den Arbeitsalltag kulturell bestimmen (sollen). Angesichts dieser Aufzählung stellt sich die Frage

Was bedeutet eigentlich Spaß bei der Arbeit?

Meine erste Antwort als Ressourcentrainer darauf lautet: Alles das, was sich gut anfühlt und uns guttut, wenn wir arbeiten. Insofern sind z.B. Spaß, Freude, Lachen und alle positiven Gedanken und Rührungen Ressourcen. Das macht sich auch körperlich bemerkbar. Wir spüren dann ein inneres Wohlsein, besitzen einen entspannten Muskeltonus, ein Gefühl der Leichtigkeit, des Flows. Vielleicht stellt sich auch ein Gefühl von Glück ein.
Neurowissenschaftler haben in den letzten beiden Jahrzehnten herausgefunden, was viele Menschen schon vorher gespürt haben: wir lernen als Kinder und Erwachsene gleichermaßen nur dann wirklich gut, wenn wir es mit möglichst vielen nachhaltig positiven Gefühlen und einem Sinn verbinden und es möglichst gemeinsam mit anderen tun. Das gilt für jede berufliche Tätigkeit ebenfalls.

Wir

  • sind dann zufriedener.
  • bleiben länger gesund, da Hormone (Serotonin, Dopamin) ausgeschüttet werden, die unser Immunsystem stärken. Krankheitstage werden reduziert.
  • empfinden weniger Stress, werden resilienter; auch das wirkt sich auf unsere Gesundheit aus (das Stresshormon Cortisol wird reduziert).
  • sind leidenschaftlicher bei der Sache, im sogenannten Flow.
  • gehen konstruktiver und wertschätzender mit anderen um.
  • wir sind eher bereit zu Mehrarbeit und aufgabenübergreifenden Engagement, z.B. für Teamaufgaben.

 Die Bedeutung emotionaler Selbstverantwortung

Spaß ist also beileibe nicht nur „Party“ und „Ringel-Pietz mit Anfassen“. Ich verstehe darunter, die Arbeit mit positiven Empfindungen zu bereichern. Und dafür sind wir auch selbst verantwortlich. Natürlich müssen die Rahmenbedingungen des Unternehmens stimmen. Doch die gedankliche Ausgestaltung dieses Rahmens übernehmen wir. Das tun wir andererseits auch, wenn wir unsere Arbeit mit negativen Gedanken, mit Ärger, Frust, Zweifel, Angst etc. begleiten.

Wir müssen also erst einmal wissen, was uns wichtig ist, damit wir Spaß empfinden. Die Kernfrage, die sich jeder stellen sollte, ist: Wer bin ich? Das bekomme ich sehr gut heraus mit einer zweiten und dritten Frage: Was ist mir wichtig? und Was tut mir gut? Die Antworten sind dann meine Werte und Ressourcen.

Eigene Ressourcen nutzen

In einem zweiten Schritt organisieren wir unser Arbeitsleben so, dass diese Werte bestmöglich erfüllt werden. Das gilt auch für das ganze Leben. Und es ist nicht immer einfach, diese Werte in einem von anderen -z.B. dem Arbeitgeber- durchorganisierten Umfeld auch zu leben. Nur wir können damit anfangen, indem wir uns Gedanken dazu machen.

Zu unseren Werten

  • Wie kann ich sie einbringen in meine Arbeit? Wie kann ich meine Arbeit so organisieren bzw. verändern, dass sie sinnvoller, bereichernder, zufriedenstellender für die Beteiligten wird?
  • Welche Arbeit passt zu mir? Und was kann ich tun, um diesen Job zu erhalten?
  • Welche Werte kann ich -jedenfalls für eine Weile -hintenanstellen, damit ich die für mein Wohlergehen und meine Gesundheit wichtigsten leben kann?

Zu unseren Stärken und Schwächen

  • Wie kann ich das, was ich gut kann und was ich am liebsten mache, in meine Arbeit integrieren? Wen kann ich auf welche Weise von der Wirkung überzeugen?
  • In welchen Situationen habe ich schon einmal meine Stärken erfolgreich eingesetzt? Was konkret hat dazu geführt? Was war das Ergebnis? Wie habe ich mich dabei und danach gefühlt? Wie hat mein Umfeld reagiert? Was genau kann ich zukünftig in ähnlichen Momenten verwenden?
  • Welche Fähigkeiten und Kompetenzen kann ich noch entwickeln? Was lerne ich aus meinen bisherigen Niederlagen? Welche Vorteile lagen und liegen in meinen vermeintlichen Schwächen? Wozu war es ggf. gut, diese Erfahrungen zu machen?

Zu unserem Umfeld:

  • Welche Menschen (Freunde, Beziehungen, KollegenInnen, Führungspersonen etc.) geben mir Energie? Welche ziehen sie von mir ab? Was möchte ich wie am besten ändern? Wie kann ich mir ein Umfeld gestalten mit Menschen, die mich bereichern, im Job und im Leben? Und wer kann mir dabei helfen?
  • Love it - Change it - Or leave it :
    LI: Wie kann ich mich mit dem Status Quo eigenverantwortlich so arrangieren, dass ich wieder mehr Freude im Job habe? Welche Perspektive kann ich einnehmen, dass ich mit den Gegebenheiten leben und einen größeren Nutzen aus ihnen ziehen kann? Was gefällt mir derzeit gut und wie kann ich diese positiven Aspekte verstärken? Mit welchen Personen kann ich mich dazu austauschen?
  • CI: Was kann ich selbst aktiv verändern, damit ich kraftvoller und zufriedener arbeiten kann? Wer kann mich dabei unterstützen? Welche Möglichkeiten habe ich bisher nicht ausreichend genutzt, aus Angst, Frust, Scham? Und wie kann ich diese Optionen für eine größere Zufriedenheit anders angehen? Welche Alternativen stehen vor Ort zur Wahl? Kann ich mich anderweitig im Unternehmen einbringen?
  • LeI: Habe ich keine Möglichkeit, meine Einstellungen noch die Arbeitsbedingungen zu verändern? Wie kann ich am besten gehen? Welche Vorteile eines neuen Jobs wiegen den Verlust von aktuellen Konditionen, KollegenInnen, gewohnten Abläufen, Umfeldern auf? Bei welchen Optionen habe ich ein, auch körperlich spürbar, angenehmeres Gefühl?

Unsere persönliche Komfortzone - Fluch und Segen

Natürlich gibt es auch Situationen, aus denen wir aus familiären, wirtschaftlichen oder persönlichen Gründen nicht so ohne weitetes ausbrechen können. Oder nicht wollen! Ich mache als Coach gleichwohl immer wieder die Erfahrung, dass „nicht können“ oder „nicht wollen“ selbst gebaute Hindernisse darstellen. Die meisten Menschen haben sich in einer Komfortzone eingerichtet. Das ist auch vollkommen normal. Und notwendig, denn nur so erfahren wir Sicherheit im alltäglichen Trubel. Der Nachteil eines ständigen Verweilens in diesen gewohnten Denk- und Verhaltensschienen heißt allerdings: Stillstand. Besonders dann, wenn uns das Leben, und oft eben auch der Job, dazu auffordert, etwas für unser eigenes Wohlbefinden zu verändern, ist es wichtig, eine andere Perspektive einzunehmen und über den „Tellerrand“ hinauszublicken. Unser Organismus, getriggert vom Gehirn, hat eine evolutionär bedeutsame, untrügerisch intuitive Fähigkeit, uns darauf aufmerksam zu machen. Und eines unserer tiefsten Bedürfnisse ist es, uns wohlzufühlen. Auch wenn unsere taylor’sche Leistungskultur, in der wir aufwachsen, etwas anderes für bedeutsamer hält. Menschen werden nachweislich krank, wenn sie längere Zeit etwas tun oder denken, was die Neurowissenschaftler „mal adaptive“ nennen. Schlechte Gedanken führen zu Unlust, Frust, Angst und Depression und diese schädigt per Cortisol unser Immun- und Herz-Kreislaufsystem. Und wenn eine Tätigkeit in diesem Sinne keine Freude macht, sollten wir uns diese auf andere Art in unser Leben holen. Damit wir ein gutes Leben haben.

Ich wünsche Ihnen auf jeden Fall viel Spaß im Job.

 

Wenn Sie mehr Spaß bei der Arbeit haben wollen, melden Sie sich gerne hier.

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