Wie uns das Virus hilft, unsere Komfortzone zu verlassen.

31.Mai 2020

Momentan sind wir ganz schön von der Pandemie und den Gegenmaßnahmen in unserer gewohnten Lebensweise gebeutelt –der eine mehr, der andere weiniger. Viele fühlen sich als Spielball der Gegebenheiten. Es fehlt Ihnen an eigener Orientierung. Hierin liegt die Ursache für Angst und Sorgen um die persönliche Zukunft. Es gibt keine wirklichen Referenzen. Zweifel und Verwirrung übermannen sie als Folge. Es passiert etwas in und mit uns, das wir scheinbar nicht selbst steuern können. Und gleichzeitig kann uns dieser Zustand helfen, uns und unseren Ressourcen näher zu kommen. Was potenziell komisch klingt, hat genau damit zu tun: mit unseren Potenzialen. Es gilt also, sich auf unsere Angst als Helfer einzulassen. Sie willkommen zu heißen.

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Ein Leben ohne Risiko gibt es nicht

Wie entsteht Angst? Leben beinhaltet auch immer dessen Risiko, gefährdet zu sein. Ein Leben ohne Veränderung, Gefahr und Ende gibt es nicht. Gleichzeitig sorgt unser Gehirn mit seinen ältesten Strukturen dafür, dass es unserem Organismus gut geht. Es sorgt für unser Überleben auf der Basis unserer Evolution. Daraus erwachsen die überlebenswichtigen physiologischen Grundbedürfnisse nach ausreichend Essen, Trinken, Schlaf und körperlicher Unversehrtheit. Und dazu gehört ebenso das Grundbedürfnis nach psychologischer Sicherheit. Wenn diese nicht gefühlt wird, entstehen Ängste, die wir als Aufforderung verstehen sollten, diese Sicherheit herzustellen.

Ängste sind ein Ruf zur Selbstwirksamkeit

Wir sollten die Angst als einen selbstverständlichen Hinweis unseres Unterbewussten betrachten und annehmen, dass etwas Ungewöhnliches passiert, für das noch keine Sicherheiten vorliegen. Diese innere Botschaft zeigt uns nichts anderes, als dass wir leben. Und dass wir etwas Neues lernen sollen, um dies aktuell besser zu können. Und tatsächlich konnte. festgestellt werden, dass Ängste zum Lernen sogar essenziell sind. Ohne sie bzw. die durch sei ausgeschütteten Neuro-Botenstoffe, können keine neuen Verhaltensweisen im Gehirn gespeichert werden. Wie immer im Leben, macht hier die Dosis das Gift. Erst ein Überschießen dieser Neurotransmitter in Panikmomenten ist dieser Lernvorgang ausgeschaltet. Die Angst in ihren milden Formen, unsere Sorgen und Irritationen also, sind also ein toller Hinweis für unsere persönliche Entwicklung! Wir sollten ihn begrüßen.

Wir streben alle nach psychologischer Sicherheit

Diese Sicherheit entsteht, wenn drei psychische Grundbedürfnisse erfüllt sind. Diese haben sich im Laufe der menschlichen Evolution als essentiell für unser Wohlbefinden heraus gebildet. Werden sie nicht ausreichend erfüllt, entstehen Zweifel, Unsicherheit und Ängste:

Das Bedürfnis nach Zugehörigkeit und die Angst, nicht ausreichend geliebt zu werden:

Von Kindheit an fühlen wir uns dann wohl, wenn wir uns an andere Menschen gebunden fühlen, bei ihnen geborgen sind. Wir wollen gesehen und wertgeschätzt, ja von bestimmten Menschen auch geliebt werden. Zunächst erfüllt die Mutter dieses Bedürfnis nach Zugehörigkeit, dann der Vater, und andere nahestehenden Menschen. Später sind es Freunde (die sogenannten Peer Groups) und Mentoren. Im Businessalltag übernehmen diese Rolle die Team- Kollegen, der Chef und generell „die Firma“.
Bei Nichterfüllung entstehen Ängste und Sorgen, nicht ausreichend von anderen anerkannt bzw. geliebt zu werden.

Das Bedürfnis nach Autonomie und die Angst, nicht ausreichend eigenständig zu sein:

So widersinnig und herausfordernd es besonders Eltern erscheinen mag: ein gleichzeitig wichtiges Bedürfnis ist das nach Eigenständigkeit, Selbstbehauptung und -verwirklichung. Letztendlich kann der weitgehend hilflos auf die Welt kommende kleine Mensch nur dann auch innerlich wachsen, wenn ihm dies in einer geschützten Umgebung, einem sicheres „Nest“, ermöglicht wird (s.o.).

Darf eine Person nicht genügend eigene Kompetenzen, Ideen und Fähigkeiten leben, spiegelt sich dies in Ängsten, Sorgen und Unzufriedenheit wider, eigene Interessen und Möglichkeiten anderen unterordnen zu müssen.

Das Bedürfnis nach Selbstwertentstehung und –erhaltung und die Angst, gut genug zu sein:

Dieses für die Selbststeuerungs-Kompetenz so wichtige Grundbedürfnis bezeichnen manche Autoren als Produkt der beiden vorgenannten. Der Neurobiologe Gerald Hüther spricht davon, dass Würde, also Selbstachtung, dann entsteht, wenn Menschen im Schutz der Gemeinschaft ihre individuellen Potenziale und Fähigkeiten entwickeln können. Wenn eines der beiden anderen Bedürfnisse oder sogar beide nicht ausreichend erfüllt werden (und das empfindet natürlich jeder anders), leidet der Selbstwert. Dann sind diese Menschen eher ein Spielball ihrer Befürchtungen. Entweder ordnen sie sich bzw. ihre Interessen und Wünsche anderen unter oder stülpen sie ihnen über. In beiden Fällen kompensieren diese Personen ihr reduziertes Selbstwertgefühl, indem sie sich anpassen oder in Widerstand gehen. Unzufriedenheit ist die Folge. Eine wirksame bewusste Selbststeuerung bleibt aus, weil unbewusst die Ängste handlungsleitend sind. Vorherrschend ist die Angst, nicht gut genug zu sein.

Wenn Orientierung fehlt

Menschen entwickeln im Laufe ihres Lebens Erfahrungen, mit unzähligen unterschiedlichen Situationen umzugehen. Sie erleben sich kompetent und selbstwirksam, wenn sie ihre Denk-und Handlungsweisen erfolgreich einsetzen können. Je öfter dies passiert, desto automatischer können sie auch in stressigen Situationen reagieren. Sie benutzen für diese Situationen eine innere Orientierung, sozusagen einen inneren Kompass, der ihnen Sicherheit gibt. In dieser Komfortzone kennen sie sich aus. Kommt es nun zu einer Situation, die vollkommen anders ist, als gewohnt, geraten diese Menschen schnell in Stress. Ihnen fehlt die Orientierung. Mit dem Werkzeug aus der Komfortzone kommen sie nicht automatisch weiter. Haben diese Menschen gelernt, in solchen Momenten innezuhalten und abzuwarten, wie sie ihren Werkzeugkoffer erweitern können, lernen sie neue Fähigkeiten. So haben wir z.B. Sprechen, Schwimmen, Fahrrad-und Autofahren gelernt. Haben sie gelernt, Neues als Gefahr und Risiko zu betrachten, kommen sie mit den bekannten Handlungskonzepten nicht weiter. Wir haben in unserem mentalen Werkzeugkoffer keine passenden Instrumente parat. Die Selbststeuerung fehlt dann und diese Menschen geraten in Angst oder werden sogar panisch. Ich denke, wir kennen alle diese Momente, in denen wir uns total hilflos und inkompetent fühlen. Hier greifen dann archaische Reaktionsweisen, wie Angriff, Flucht oder Erstarren. Lernen ist in diesen Situationen nicht mehr möglich. Viele reagieren dann mit dem, was sie können nach dem Motto: mehr davon (siehe Paul Watzlawick: Anleitung zum Unglücklichsein). Also z.B. mit noch mehr Recherche ohne Ziel, noch mehr Forderungen, noch mehr Rückzug , noch mehr Argumente etc.

Und was bedeutet das nun in Corona-Zeiten?

Viele erleben jetzt diese Veränderungen als mehr oder weniger tiefen Einschnitt in ihre Komfortzone. Das ist vollkommen ok, macht sie diese doch bewusst. Es fehlt Orientierung an vielen Stellen:
Wie regele ich die Arbeit zuhause? Und wie balanciere ich sie mit dem Familienleben? Was bedeutet die Distanz für die Führung von Mitarbeitenden? Kann ich vertrauen? Und wenn ja, was sind meine Gedanken und Ideen dazu. Wo macht sich Misstrauen und Unsicherheit bemerkbar? Wie werde ich in Zukunft arbeiten?

Hier ist es wertvoll und zielführend, sich selbst einmal zu den Bedürfnissen zu reflektieren und sich mit Freunden und Kollegen dazu auszutauschen. So sorgen wir für unsere eigene psychische Sicherheit.

  • Sicherheit, dazu zu gehören. Zu wem kann proaktiv Nähe hergestellt werden? Wer kann Auskunft =Orientierung geben? Wem kann ich mit meinen Kompetenzen helfen? Besonders in den momentanen Ausnahmezeiten kommt es besonders darauf an, Schulterschluss mit Menschen zu finden, die ähnlich empfinden, mit ihnen die Sorgen und Nöte zu teilen. Und der Austausch von Ideen und gemeinsame Lösungssuche schafft hier einen hohen Grad an Zugehörigkeit. So werden Sorgen reduziert, weil sie nicht als Einzelschicksal wahrgenommen werden. Geteiltes Leid ist eben maximal halbes Leid.
    Für Führungskräfte ist es jetzt besonders wichtig, aktiv genau diese Nähe zu schaffen, Fragen nach den Wünschen und Befindlichkeiten zu stellen, Hilfe anzubieten, Ideen für die weitere Zusammenarbeit abzurufen.
  • Sicherheit, autonom zu sein (zu dürfen). Welche meiner Ressourcen und Kompetenzen kann ich nutzen, wenn ich plötzlich vor so eine ungewöhnliche Herausforderung gestellt werde? Womit kann ich diese zunächst vollkommen neue und vielleicht zunächst aussichtslose Situation bewältigen? Wie bin ich früher mit meiner Eigenverantwortlichkeit in schwierigen Situationen umgegangen? Wie habe ich die mir plötzlich gegebenen Spielräume genutzt? Was davon möchte ich in meinem Tätigkeitsbereich beibehalten, was neu umsetzen? Was sind meine Stärken, die jetzt auf neue Weise eingesetzt werden können? Jetzt werden eigene Krisenbewältigungs-strategien auf die Probe gestellt. In diesen Momenten können Menschen über sich hinaus wachsen, ihre Komfortzone erweitern.
    Führungskräfte können hier einwirken, indem sie diese Erfahrungen und neuen Kompetenzen ihrer Mitarbeitenden je nach Reifegrad in ihre Teamarbeit, ihren Strategie- und Zielplanungen einbeziehen. Sie können die Stärken teamfördernd einsetzen und individuelle Handlungsspielräume erweitern. Das erfordert ein Mindset, das Mut zur Lücke und in erster Linie Vertrauen beinhaltet. Grundlage und Schlüsselkompetenz ist eine eigene Selbststeuerungskompetenz.
  • Sicherheit, ok zu sein: Wie oben beschrieben entsteht ein hoher Selbstwert und eine entsprechende Selbststeuerungskompetenz durch eine gelungene Kombination von gelebter und vor allem: empfundener Zugehörigkeit und Autonomie. Daher ist es wichtig, dass jeder proaktiv für diese psychologische Sicherheit eigenverantwortlich sorgt.

Komfortzonen-Kick Out nutzen- Chance für Unternehmen

Viele sind jetzt gerade eh schon von den Corona-Maßnahmen aus ihrer Komfortzone herausgekickt worden. Also nutzen wir diesen Kick doch dazu, das Steuer für die Zukunft (wieder) in die eigene Hand zu nehmen.

Führungskräfte haben die - wenn auch zunächst erzwungene- Chance, die jetzigen Erfahrungen mit sich, dem Team und den neuen Strukturen und Medien zu nutzen. Für eine Zusammenarbeit, die effektiver ist, weil sie sich auf die Ressourcen der Mitarbeitenden stützt und deren Bedürfnisse berücksichtigt. Dazu braucht es Mut, sich selbst zu reflektieren und sich mit seinen eigenen Bedürfnissen zu öffnen. Es bedeutet vor allem: Vertrauen in die Mitarbeitenden! Studien belegen immer wieder, dass Menschen engagierter und besser arbeiten, wenn ihnen als Mensch vertraut und ihnen Eigenverantwortlichkeit zugetraut wird .Und was die Corona-Zeit zeigt: diese Art von Führung bewirkt eine Krisenbewältigungskompetenz, welche den Unternehmen in den wohl weiteren stürmischen Zeiten auch nach Corona nur helfen kann.

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